Die Grabanlage
eines Kindes
auf
dem Friedhof in Schömberg erzählt etwas über Zeit- und
Ortsgeschichte
Unter einer inzwischen groß gewordenen Eiche befindet sich eine aufwändig gestaltete Grabanlage für ein Kind. Die Anlage besteht aus dem Grab selbst, einer Sandsteinmauer als Abgrenzung der Anlage auf 2 Seiten, einer Sitzbank aus Stein und weiteren Abgrenzungen aus Stein für Bepflanzungen.
Begraben
ist hier Peteris Grants geb. am 3. Januar 1938 in Riga, gestorben am
4. Mai 1946 in Schömberg.
Was
ist die Geschichte hinter diesem Grab.
Der Vater Paul Grants war Dipl. Ing. in Riga, die Mutter Tamara stammte aus Libau in Lettland.
Im Hitler/Stalinpakt vom August 1939 vereinbaren die beiden Diktaturen das Baltikum und damit auch Lettland der sowjetischen Einflusssphäre zuzuweisen. Im Herbst 1939 werden die Deutsch-Balten vereinbarungsgemäß in den vom Deutschen Reich eroberten Wartegau umgesiedelt. So auch die Familie Grants. Am 17. Juni 1940 rollten sowjetische Panzer durch Rigas Straßen.
Anfang 1944 begann die Flucht von 200 000 Letten nach
Deutschland. So wurden in Esslingen ca. 6500 Letten, die als
sogenannte Displaced Persons (DP's) betrachtet wurden,
untergebracht.
DP's waren Zivilpersonen, die sich wegen des
Zweiten Weltkrieges außerhalb ihres Staates befanden und bei
der Rückkehr in ihre Heimat oder der Suche nach einer neuen
Heimat Hilfe benötigten.
Sie wurden durch das
Sonderhilfswerk der Vereinten Nationen (United Nations and
Rahabilitation Administration - UNRA) betreut.
Die DP's
unterstanden nicht der deutschen Zivilverwaltung und wurden somit
nicht in den Meldekarteien verzeichnet! Die Familie kann also nur in
so einem Flüchtlingsstrom nach Esslingen gekommen sein.
Die
wenigsten kehrten in ihre Heimat zurück, sondern wanderten nach
Amerika, Kanada oder Australien aus. Unterlagen dazu befinden sich im
National Archives in Washington oder im Archiv der Vereinten
Nationen.
So
kam die Familie nach Esslingen. Der Sohn Petris erkrankte an TBC und
kam ins Kinderheim in Schömberg. Die Familie wohnte in diese
Zeit bei der Familie Fritz Maisenbacher in der Liebenzeller Str.
Da die Familie entsetzliche Angst vor einem Einmarsch der Russen auch hier im Westen hatte, wanderte sie nach Kanada und später nach USA aus.
Die Urne der Großmutter Eveline Cirulis ( + 1954 in Kanada) wurde in Schömberg bei dem Enkel beigesetzt.
Die Grabanlage ist bei der Gemeinde als „ erhaltenswert“ eingestuft. Im Zuge der Aufnahme von Kleindenkmalen in der Gemeinde Schömberg wurde die Grabstätte gerichtet.
Mai 2012 W. Obert
Quellen: Erinnerungen Margot Burkhardt, Meldeamt Gemeinde, Wikipedia, Stadtarchiv Esslingen