1. Aus der Vorgeschichte

Während die Höhlen der Schwabenalb schon in der Eiszeit bewohnt waren, traten im Nordschwarzwald die ersten Menschenspuren viel später auf. Und auch da handelt es sich nicht um Dauersiedlungen, sondern nur um zerstreute Gerätefunde, die sich zudem auf den Rand des Waldgebiets beschränken.

Der Eiszeit folgte in Mitteleuropa zuerst eine trockenwarme Zeit mit den Gegensätzen eines Binnenlandklimas. Dann setzte eine feuchtwarme Periode mit niederschlagsreichem Seeklima ein. Die Buche erschien; Eichenmischwälder breiteten sich aus. Weite Gebiete zwischen den Alpen und dem Meeresstrand waren mit Urwald bedeckt. Mächtig schwollen die Hochmoore an; der ältere Moostorf entstammt dieser Zeit. Der Mensch bewohnte die offenen Küstenstriche von Spanien bis zur Ostsee und die trockenen Gebiete des Ostens.

Ziemlich unvermittelt trat wieder eine trockenwarme Periode ein, die so genannte Wärme-Trockenzeit" Süddeutschlands oder die Subboreale Periode. Die Seen senkten ihre Spiegel, die Moore trockneten aus (Grenzhorizont, auch am benachbarten Würzbacher Hochmoor nachgewiesen!) und weite Strecken des Landes wurden waldfrei, voran die warmen Lößböden des Unterlandes. Aber auch das Gebirge war damals nur licht (und vorzugsweise) mit Laubhölzern bestockt.

In die waldarmen bis offenen Landschaften im Gäu (jenseits der Nagold), am Neckar und an der unteren Enz zog nun der Mensch ein. Er stand auf der Kulturstufe der Jungsteinzeit, die für Süddeutschland zwischen die Jahre 3500 und 1800 v.Chr. fällt. Es ist eine der folgenschwersten Epochen der Menschheitsentwicklung: Hausbau und Töpferei, Haustierzucht und Pflugkultur wurzeln hier. Vor allem aber ist sie das Zeitalter des geschliffenen Steins, das noch keine Geräte aus Metall kennt. Drei an den Rändern Europas erwachsene Kulturen drangen damals nach Süddeutschland vor: von Osten, von Westen und Norden kamen die neuen Siedler, und zahlreich sind die Funde (Wohnstätten und Gräber, Geräte und Waffen) im Unterlande.

Aber auch am Rande des Schwarzwaldes und auf der Platte zwischen Enz und Nagold hat sich der Mensch, wenn auch nur vorübergehend, aufgehalten. So wurde bei Igelsloch ein 14 cm langer, durchbohrter Steinhammer aus Talkschiefer gefunden, einst der wirksame Teil des primitiven Holzpfluges. Er gehört dem ostischen Kulturkreis an, der weiterhin durch ,,Schuhleistenkeile" (primitive Hacken), gut gearbeitete, meist halbkugelige Schalen und Näpfe aus Ton mit eingetieften Spiral- und Mäanderbändern und durch unregelmäßig geformte Wohnhütten mit Reisigwänden und Lehmbewurf charakterisiert wird. Ein friedliches, kunstsinniges Volk von Ackerbauern, das den mittleren und unteren Donauländern entstammt, war der Träger dieser Kultur. - Ein zweiter, ebenfalls 17 cm langer und durchlochter Steinhammer aus Hornblendeschiefer (dessen ostische Herkunft allerdings nicht ganz sicher ist) stammt aus Ottenhronn (jenseits der Nagold) und befindet sich in der Hirsauer Altertumssammlung; auch ein etwas kleinerer Steinhammer aus Liebenzell gehört hierher.

Aber auch der westische Kulturkreis (Heimat: Frankreich, Spanien, Mittelmeerländer; Leitformen: Rund- oder Walzenbeil, primitive Töpferware) machte seinen Einfluß bis ins Nagoldgebiet geltend. So ergab Monakam (bei Liebenzell) ein westisches Rundbeil (wahrscheinlich aus Eklogit) von 6,4 cm Länge.

Viel häufiger und gerade für unsere Gegend bedeutungsvoller sind die Gerätefunde, welche dem nordischen Kulturkreis angehören. So wurde bei Liebelsberg (O.A. Nagold) 1914 ein Steinbeil aus schwarzem, weiß geflecktem Stein (10,7 cm lang, 5,5 cm breit) geborgen, und 1922 ein zweites aus schwarzem Stein (9,5 cm lang). Ja bei Neuweiler (O.A. Nagold) fanden sich sogar 4 nordische Steinbeile aus Diabastuff. Dieser Fundplatz, mitten im Waldland zwischen Enz und Nagold (in Luftlinie etwa 10 km von dieser entfernt) gelegen, ist ein deutlicher Beweis dafür, daß damals hier kein Urwald frühmittelalterlichen Charakters bestanden haben kann, sonst wäre ein Vordringen des primitiven Menschen bis in diese Gegend kaum erklärlich. Vielleicht folgte dieser dem Lauf der Teinach, vielleicht auch schon dem uralten Höhenweg, der auf der Hochfläche (an Salmbach, Schömberg, Igelsloch und Neuweiler vorbei) von Pforzheim nach dem Kniebis zieht und im Mittelalter als Weinstraße, später auch als Erzstraße eine Rolle spielt.

Die nordischen Zuwanderer, ohne Zweifel Vorläufer der späteren Indogermanenzüge, brachten das Rechteckbeil und das große, zweiräumige Rechteckhaus, den Leichenbrand und das Hügelgrab, die Schnurverzierung der Töpferwaren und die vortrefflich geformte, ,,fazettierte" Streitaxt. Ein kriegerisches Volkstum ist es, das von Norden her vordringt, überall Höhen- und Waldland besetzt und als Herrenschicht über die Ackerbauern gebietet. In diesem Zusammenhang werden auch die Steinbeilfunde um Neuweiler verständlich: sie entstammen nordischen Jägern, die hier durchzogen, siedelten oder die harten Karneole des oberen Buntsandsteins sammelten, die im ganzen Nordschwarzwald nirgends reicher vorkommen als dort.

Aus der Bronzezeit (1800 - 1100 v. Chr.), die für den Norden den Gipfelpunkt vorgeschichtlicher Entwicklung bedeutet, sind außer einer bei Pforzheim geborgenen, 24 cm langen Lanzenspitze in unserer näheren Heimat keine Funde bekannt geworden. Die zunehmende Trockenheit vernichtete den Ackerbau im Schwarzwaldvorland; der Mensch wurde zum Nomaden, der bald da, bald dort mit seinen Herden zeltete. Gegen 1400 v. Chr. fand die höchste Trockenheit ein Ende; das Klima begann feuchter und kälter zu werden.

Um 800 v. Chr. trat die ,,Nacheiszeitliche Klimaverschlechterung" schon stark in die Erscheinung, die Subatlantische Zeit brach an: feuchtkalt wurde die Witterung, die Seen stiegen, in den Mooren begann über der Trockenschicht des Grenzhorizontes der jüngere Moostorf sich abzulagern. Im Unterland aber zog der Ackerbauer wieder ein und schuf hier in der Hallstattzeit (1100 - 400 v. Chr.) die blühendste und bodenbeständigste aller vorzeitlichen Bauernkulturen. Ihre Grabhügel rückten bis an den jenseitigen Rand des Nagoldtales vor; den Schwarzwald selbst hat sie nicht betreten. Hier dehnte sich wieder, vom Klima begünstigt, ein dichter, frucht- und wildarmer Urwald. Aber in Notzeiten flüchtete das Bauernvolk auf die ,,Fliehburgen" an seinem Rande: auf den Rudersberg bei Kentheim (vielleicht auch auf den steilen Bergvorsprung der Burg Waldeck und auf den Neuenbürger Schloßberg).

Die Kelten- oder Late`ne-Zeit (400 v. bis 50 n. Chr.) ist für den Schwarzwald ebenfalls unergiebig. Das Klima wurde regenreicher, die Wälder drangen gegen die Ebene vor. Keltische Goldmünzen, vom Volk ,,Regenbogenschüsselchen" genannt, fanden sich bei Calw, zwei Skelettgräber hei Gechingen, jenseits der Nagold; Neuenbürg lieferte einen bronzenen Armring. Damit sind die Funde im nächsten Umkreis erschöpft. Aber noch ist eines Erbstücks aus jener Zeit zu gedenken, das bis in unsere Tage unter uns lebendig blieb: es sind die Flußnamen Nagold, Enz, Würm, Neckar, Rhein u.a., deren Deutung nur zum Teil gelungen ist, so entspricht der Name der Enz (kelt. Antia) dem lat. aqua und dem deutschen Wort Ach; er bedeutet somit Wasser.

In der Römerzeit scheint das Klima trockener und wärmer geworden zu sein, und zahlreich sind die Funde im Schwarzwaldvorland:

Grabmäler, Votivsteine, Viergötter- und Wochensteine, Jupitergigantensäulen, Reliefdarstellungen, Terra-Sigillata-Gefäße, Münzen, dazu (im gesamten Enzgebiet) gegen 100 Gutshöfe und die unübersehbare Menge der Kleinfunde aus dem Alltag eines blühenden Kulturzeitalters. Das Land um Schömberg hat nur Münzen ergeben: bei Langenbrand fand man eine Münze des Trajan, in einem Steinbruch bei Zavelstein eine Silbermünze des Domitian, in Calw Silbermünzen des Vespasian und des Hadrian. Jenseits der Enz wurden Münzfunde bei Feldrennach und Birkenfeld gemacht; auch Siedlungsreste und Skulptursteine sind hier schon vor langer Zeit zum Vorschein gekommen (Gräfenhausen, Ottenhausen, Conweiler). Die wichtigste Fundstätte im nördlichen Schwarzwaldvorland ist aber das benachbarte Pforzheim. Hier muß etwa im 2. Jahrhundert v. Chr. eine ausgedehntere römische Siedlung geblüht haben. Es fanden sich neben Heizanlagen, Topfscherben, Münzen und Werkzeugen auch Wochen- und Viergöttersteine, Weihetafeln und Grabmäler mit Inschriften, Gigantenreiter usw. Hier überschreitet auch die einzige mit Sicherheit in unserer Gegend nachweisbare Römerstraße das Enztal; im Wald bei Brötzingen und im Hagenschieß ist sie noch deutlich als niedriger Damm zu sehen. ,,In dem geheimnisvollen Dämmer, fern dem Lärm der heutigen Welt, zieht sie schnurgerade dahin, dem aufmerksamen Beobachter noch heute ein stumm beredter Zeuge von dem eisernen, konsequenten Willen der Römer." Eine zweite Römerstraße zog vermutlich von Pforzheim über Birkenfeld nach Baden-Baden. Die Beschreibung des Oberamts Neuenbürg vom Jahr 1860 betrachtet auch den schon erwähnten Höhenweg Pforzheim - Schömberg - Simmersfeld als Römerstraße. ,,Eine römische Straße führte bei Igelsloch in den Bezirk und von da östlich an Schömberg vorüber, durch das so genannte Eulenloch nach Salmbach und weiter nach Pforzheim. Sie ist an vielen Stellen noch erhalten und zeigt auf großen Strecken das wohlgefügte Straßen-Pflaster." Auf der Karte ist sie als Römerweg eingetragen. Wenn es sich dabei auch um einen alten Höhenweg handeln mag, so ist doch nicht mit Bestimmtheit zu beweisen, daß er zur Römerzeit in Gebrauch war. Die Pflasterung dürfte vielmehr aus dem Mittelalter stammen. Auch die (früher oft vertretene) Annahme, nach der Caracellas Soldaten 212 n. Chr. das Wildbad entdeckt haben sollen, entbehrt jeder historischen Stütze.