2. Das frühe Mittelalter und die deutsche Besiedelung

Nach etwa 200 jähriger Dauer brach die Römerherrschaft in Württemberg (um 260 n.Chr.) unter dem Ansturm der Alamannen zusammen. Es ist dies der erste deutsche Volksstamm, welcher auf süddeutschem Boden dauernd seßhaft geworden ist. Überall, vom Main bis zum Bodensee, nahmen sie die fruchtbaren Ebenen in Besitz; ja sie überschritten mehrmals den Rhein und kreuzten die Waffen mit den Legionen der Cäsaren. Nach deren Abzug begann für die Alemannen eine kurze Hochblüte kriegerischer Kolonisation: von Rheinhessen bis tief in die Alpen erstreckte sich ihre neue Heimat. Aber dieser junge ungestüme Ausdehnungsdrang führte zu einem kriegerischen Zusammenstoß mit den Franken, die in Gallien das Erbe Roms angetreten hatten. 496 erlag das alemannische Aufgebot der fränkischen Übermacht bei Tolbiacum. Der ganze Norden des Alamannenlandes fiel den Siegern in die Hände. Die fränkisch- alamannische Grenze verlief in unserer Gegend von der ragenden Landmarke des Aspergs quer durch das Gäu' der Teinach entlang nach Enzklösterle (südlich von Wildbad) und zur Hornisgrinde; und unsere Heimat zählte zu der neuen Provinz Ost- oder Dentschfranken.. (40 Jahre später wurde auch der südliche Teil Alamanniens dem Frankenreiche einverleibt.)

Die Frankenherrschaft legte den Keim zu zwei folgenreichen geschichtlichen Entwicklungsreihen: sie brachte das Christentum in die Lande um den Schwarzwald, und sie schuf als neue politische Kraftzentren die Gaue. Letzteren standen edle fränkische Grundherren als Gaugrafen vor; Verwaltung und Gerichtsbarkeit lagen in ihrer Hand; sie riefen den Heerbann auf und führten ihn zur Schlacht. Die Gaue wurden meist nach den Flüssen benannt, deren Gebiet sie umfaßten. Wenn sich ihre Grenzen auch nicht mehr mit Sicherheit festlegen lassen, so scheint für unsere Gegend später doch folgendes zuzutreffen. Das Land zwischen Enz und Nagold gehörte zwei Gauen an, dem Würmgau und dem Enzgau. Letzterer umfaßte das Land um die mittlere und untere Enz und reichte nur noch auf kurze Erstreckung in den Schwarzwald herein. Südlich davon dehnte sich der Würmgau aus, der von Osten her über die Nagold herüber griff und jedenfalls bis zur Enz (oder auf die jenseitigen Höhen) reichte. Er wird in der Urkunde vom 9. Okt. 1075, in welcher Heinrich IV die Wiederherstellung des Klosters Hirsau durch den Grafen Adalbert II. von Calw bestätigt, zum ersten Male erwähnt. Nach diesem Schriftstück liegen das Kloster Hirsau (Hirsaugia) und die Burg Calw (Cha`lawa) ,,in pago Wiringowa".

Die Grenze beider Gaue scheint in unmittelbarer Nähe Schömbergs verlaufen zu sein: von der Nagold das Reichenbachtal aufwärts über den Lauchbusch (= Grenzwald) zum Förtelbach und diesem entlang zur Enz. Was nördlich davon lag, gehörte zum Enzgau und zählte kirchlich zum Landkapitel Pforzheim; das südliche Land dagegen bis zur Teinach umfaßten der Würmgau und das Landkapitel Weil (der Stadt). Später folgte die Grenze zwischen Baden und Württemberg dieser Linie. So kommt es, daß die Nachbargemeinden Schömberg und Langenbrand sich kirchlich und politisch als Ausland betrachteten. Langenbrand gehörte, wie der ganze ,,Waldgang", dem großen Kirchensprengel Brötzingen an, der auch den nördlichen Teil Höfens umfaßte, während dessen südlicher Abschnitt sowie Schömberg und die Orte seiner Umgebung dem Liebenzeller Sprengel zugeteilt waren.

Im Würmgau stieg ein Geschlecht empor, das für unsere weitere Heimat von nachhaltiger Bedeutung geworden ist: die Grafen von Calw. Ihre Anfänge liegen im Dunkel. Sie entstammen einer alt-fränkischen Familie, die in der Grafschaft Ingrisheim (im Murrgau) das Grafenamt bekleidete. Der Calwer Zweig beherrschte zeitweise auch den Enz- und Murrgau, ja sogar den Zaber- und Uffgau, so daß sich sein Machtbereich zeitweise von Baden-Baden bis vor die Tore Heilbronns erstreckt haben muß. Unsterblich gemacht hat sich dieses edle Geschlecht in unserer Heimat durch zwei volksgeschichtliche Großtaten ersten Ranges: durch die planmäßige Kolonisation der menschenleeren Waldlandschaft zwischen Enz und Nagold und durch die Stiftung des Benediktinerklosters Hirsau, das zur Zeit seiner Hochblüte zu einem geistigen Zentrum Süddeutschlands erwuchs.

Die Kolonisation unserer Schwarzwaldhöhen bezeichnet die dritte und letzte Stufe in dem großartigen geschichtlichen Vorgang der deutschen Besiedelung.

In die Zeit der alamannischen Landnahme und der fränkischen Invasion fällt die Gründung der Orte auf ingen und heim; es sind dies die Ursiedlungen, teils alamannischen, teils fränkischen Ursprungs, mit großen Markungen, Haufendörfern und zerstreuten Verteilung des Grundbesitzes in der Feldflur (Gemengelage). Vom Rhein, von Norden und von Osten her dringen die ingen-Orte über die lößbedeckten Fruchtgaue des Unterlandes gegen den Schwarzwald vor (Ellmendingen, Dietlingen, Eutingen, Brötzingen, Merklingen, Möttlingen). Viel seltener sind hier die etwa gleichalterigen Orte auf heim: Pforzheim, Stammheim usw.

Das 6. -8. Jahrhundert brachte den Landesausbau der Merowinger- und Karolingerzeit. Überall wurden, durch die wachsende Bevölkerung veranlaßt, auf den riesigen Markungen der Urdörfer neue Ortschaften - auch auf schlechteren Böden - angelegt. Es sind dies zunächst die Dörfer auf stetten und bronn (Althengstett und Ottenbronn); später kamen u.a. auch die auf weiler hinzu, z.B. das abgegangene Gumprechtsweiler bei Hirsau. Hier scheint auch ein fränkischer Königshof gestanden zu haben, an den sich wohl bald die von Lorsch aus gegründete Nazariuskirche in der Pletschenau und später talaufwärts die Burg Calw (um 1037) als Sitz der Gaugrafen anschloß. Die Gründung des Klosters Hirsau fällt in eben diese Zeit. - Zunächst wurde bei einer älteren Aureliuskirche ein kleines Männerkloster im Talgrund errichtet (durch Adalbert II. von Calw 1059 gestiftet); davon ist nur die jüngere Aureliuskirche, eine dreischiffige Säulenbasilika, erhalten geblieben. Das neue Kloster auf der Nagold-Hochterrasse wurde unter Hirsaus größtem Abt, Wilhelm dem Seligen, 1083 bis 1092 zu Ehren des hl. Aurelius und der Apostelfürsten Petrus und Paulus erbaut.

Die Hochfläche zwischen Enz und Nagold war bisher menschenleer geblieben; höchstens daß einige Siedlungen, vielleicht Altburg (früher Altpuren), sich auf der Höhe erhoben. Jetzt, im Zeitalter der großen grundherrschaftlichen Rodungen des 11. und 12. Jahrhunderts, drang die Besiedelung in dieses seither herrenlose Land ein, das als silva regalis, als Königsforst, galt. Eine großangelegte, nach einheitlichem Plan durchgeführte Rodungstätigkeit, an der sich außer den Calwer Grafen noch die Pfalzgrafen von Tübingen und Nagold beteiligten, schuf hier die lange Reihe eigenartiger Waldhufendörfer, die vom Weiler-Wald in der Freudenstädter Gegend bis vor die Tore Pforzheims reicht, ja mit Schwann, Conweiler, vielleicht auch Dennach, noch über die Enz hinübergreift. In unserer nächsten Nähe gehören alle Dörfer der Hochfläche diesem Siedlungstyp an: Schömberg, Langenbrand, Salmbach, Grunbach, Kapfenhardt, Schwarzenberg, Bieselsberg, Ober- und Unterlengenhardt, Beinberg, Igelsloch, Kollbach. Das Klassische Waldhufendorf ist Maisenbach, welches durch Robert Gradmanns siedelungsgeographische Arbeiten bekannt geworden ist. Die Rodung des Waldes erfolgte oft durch Brand, worauf die Ortsnamen Langenbrand (früher Ferrenbrand oder einfach Brand) und Engelsbrand hinweisen. Neuerdings wird die Annahme vertreten (Mehring), daß auch die Ebersteiner Grafen, welche um diese Zeit die Burg Neuenbürg gegründet haben sollen, an den Rodungen sich beteiligten. In diesem Falle wäre naheliegend, daß die Gründung der Waldgangsorte ihr Werk ist.