6. Zerstreute Nachrichten aus der Zeit des 17. - 19. Jahrhunderts

Dieser Zeitraum der Geschichte Schömbergs ist noch wenig erforscht. Was im folgenden berichtet wird, ist teils aus zerstreuten Angaben über unsere weitere Heimat, teils aus bisher nicht veröffentlichten Quellen geschöpft.

In der ersten Hälfte des 30-jährigen Krieges wurde auch unsere Gegend von Krankheit und Teuerung heimgesucht. Im Herbst 1622 starben in Langenbrand innerhalb eines Monats 25 Personen an epidemischer Ruhr. 1626 brach die Pest aus und forderte oft an einem Tage drei und vier Menschenleben. In Calmbach starben 1627 nicht weniger als 83 Personen. Die eigentliche Kriegsnot hob aber erst im Jahr 1634 an. Nach der Schlacht hei Nördlingen ergossen sich die kaiserlichen Horden raubend und mordend über das wehrlose Land. Des Herzogs geworbene Truppen, etwa 1000 Mann unter dem Obristleutnant Holz, zogen sich vor ihnen durch das Nagoldtal gegen den Rhein zurück. In Calw nahmen sie zwei Tage Quartier; dann marschierten sie über die Höhe weiter nach Neuenbürg, wobei sie ohne Zweifel auch unsere Gegend berührten. Aber schon die nächsten Tage brachten schlimmere Gäste. Der herzogliche Generaladjutant und Obristlieutnant Jakob Bernhard von Gültlingen sollte die Tübinger Artillerie (5 Geschütze) und einige Wagen mit Kostbarkeiten mit einem Regiment (300 Mann) Reiterei nach Ettlingen geleiten. Obwohl er vor dem nahenden Feinde gewarnt war, blieb er über einen Tag in Calw liegen. Kaum hatte er die Stadt verlassen, als der kurbayrische Feldmarschall Jan de Werth mit 4000 Reitern vor derselben eintraf und die Tore erbrach. Während er einem Teil seiner Truppen die Stadt zur Plünderung preisgab, setzte er mit dem Reste dem Gültlinger nach. Bei Langenbrand soll er ihn ereilt und samt seinem Regiment gefangen genommen haben. Sämtliches Geschütz fiel in seine Hand. Viele Gegenstände von hohem Wert und eine große Summe Bargeldes, das dem mitziehenden flüchtigen Adel gehörte, wurden erbeutet. Dann fielen die Soldaten über die wehrlosen Dörfer her. Die Einwohner von Langenbrand flohen in die Wälder, ihr Pfarrer Jörg Schweikhardt mit ihnen. Sein Nachfolger schrieb 1635, im Jahr des großen Sterbens, in das Kirchenbuch: ,,0 Tod, wie wohl tust du dem Dürftigen!" Bald nachher starb er an der Pest. Auch der nächste Geistliche, Joh. Weiß aus Calw, klagt wehmütig über das Wüten von Schwert, Hunger und Pest. Das Langenbrander Kirchspiel war fast ausgestorben. Das Jahr 1636 weist nur zwei Beerdigungen und keine Taufe auf. Auch in Calmbach und Höfen berichtet das Totenbuch von der furchtbaren Ernte, welche die Pest hielt. Hier starben 1635 im ganzen 135 Personen, meist im besten Alter. In Calw forderte die Pest 772 Opfer, in Stuttgart, wo auf einen Tag oft 50 bis 60 Tote begraben wurden, im ganzen 5370.

Das letzte Jahrzehnt des Krieges war erfüllt von dem großen Kommen und Gehen der Armeen. Jahrelang dauerten die Truppendurchmärsche und Einquartierungen fast ununterbrochen fort; Feind und Freund waren gleich gefürchtet. 1638 plünderten die Soldaten des kaiserlichen Generals Götz im Schwarzwald, 1641 und 1645 hausten die Scharen des weimarischen Generals Rosen in unserer Heimat, wobei Hirsau, Calw und Liebenzell schwer heimgesucht wurden. 1643 lagen Gallas'sche Regimenter in der Gegend und verübten ,,greuelvolle Unzucht und Sittenlosigkeit". Dann kamen wieder Schweden, Franzosen, Bayern, Kaiserliche im bunten Wechsel, nicht zu reden von den Scharen ,,herrenloser Reiter, Knecht und Gesind zu Roß und Fuß", die allenthalben das Land unsicher machten. Als endlich der westfälische Friede den schweren Lasten und Leiden ein Ziel setzte, fehlte in den Ämtern Calw und Liebenzell die Hälfte (im Hirsauer Klosteramt zwei Drittel) der früheren Bevölkerung. Bezeichnend für die schreckliche Verödung unserer Gegend ist noch, daß von 1635-39 die Orte Ottenhausen und Rudmersbach, die 3 - 4 Stunden entfernt jenseits der Enz an der badischen Grenze liegen, ein Filial von Langenbrand, 1639-56 ein Filial von Schömberg waren. Vielleicht ergibt sich daraus aber auch, daß die Waldorte wegen ihrer Abgelegenheit weniger heimgesucht worden waren als die Dörfer des offenen Landes.

Auf die Leiden, welche die Franzosenkriege über unsere Gegend brachten, soll hier nicht näher eingegangen werden. Es sei nur darauf hingewiesen, daß 1689 Pforzheim, 1692 das Kloster Hirsau, die Stadt Calw und das Bergstädtchen Zavelstein von den Franzosen verbrannt wurden. In Langenbrand nahmen sie damals zwei Glocken mit. Auch 1796 zogen sie nach der Schlacht bei Rotensol durch unsere Gegend. In Calmbach plünderten sie den Weinkeller der reichen Witwe Gosweiler, die ihren Verlust auf 35 Eimer angab. Die Erinnerung an jenen Schreckenstag lebt in der Geschichte der ,,Rößleswirtin von Calmbach" heute noch fort. Auch in den Waldorten scheint die Franzosenangst noch lange nachgewirkt zu haben. Denn als am 24. März 1848 die amtliche Nachricht eintraf, ,,es seyen 8000 Mann französische Arbeiter über den Rhein gebrochen und ziehen plündernd und mordend heran", da habe der Schultheiß Öhlschläger von Schömberg im ersten betäubenden Schrecken ,,80000 Mann" gelesen und verzweifelnd die Hände sinken lassen.

In den Akten der oberamtlichen Registratur in Neuenbürg sind aus der inneren Geschichte des Orts verschiedentlich Streitigkeiten mit den Nachbargemeinden verzeichnet. So finden sich zwei Berichte über die zwischen den ,,beeden Communen Schömberg und Oberlengenhardt obversirende Zehends-Strittigkeit" aus den Jahren 1715 und 1739. Im ersten traten Schultheiß Endres Stükhel, Hannß Burckhart, Hannß Maisenbacher, Peter und Sebastian Kappler als Kläger auf gegen die Oberlengenhardter Bürger Jacob Dittuß (Schultheiß), Hannß und Thomas Kusterer und Hannß Christ. Stahl. Es handelt sich um den Zehnten von einem Stück Feld, des Stahlen Acker genannt, das jeder Flecken als auf seiner Markung gelegen anspricht. Es ergeht der Bescheid, ,,daß die zwey stukh Ackhers in die Schömberger Marckhung ohndisputirlich gehören", und auch ein zweiter Vorstoß der Oberlengenhardter (1739) vermag das Urteil nicht zu ändern.

Höher gingen die Wogen der Erregung bei dem Hirtenstreit zwischen Schömberg und Calmbach im Herbst 1759, wo der Schömberger Hirte ,,sich unterstanden, mit der ganzen Herdt" auf ein strittig Feld im Dittenbronnen zu fahren, und der Calmbacher Schultheiß auf eigene Faust 4 Stück Vieh ,,arretieren" ließ. Selbst die Oberämter Liebenzell und Neuenbürg ließen sich hinreißen, wie die geharnischte Epistel des ersteren dartut, die also anhebt: ,,Heute Abends um 5. Uhr geschahe die Anzaige durch den Schultheißen von Schömberg bey dahiesigem Oberamt, daß sich die von Calmbach unterfangen haben sollen, die von Schömberg in ihrem Wohlberechtigten Waydgang und Zufahrt mit dem Vieh auf die Wiesen beym Dittenbronnen, Schömberger Territorii, höchst freventlicher Weise zu turbiren, denen von Schömberg wider alle Gebühr das Vieh auf der Wayde würcklich hinweg zu nehmen und solches mit aller Gewalt unter angelegtem Arrest nacher Calmbach zu treiben." Das liest sich wie eine Haupt- und Staatsaktion und ist eine prächtige Blüte des Kanzleistils der ,,guten alten Zeit"!

Von Streitigkeiten der Schömberger Bürger unter sich erzählen besonders die Rugerjchtsakten, die bis 1809 zurückgehen. Da handelt es sich vor allem um Überfahrts- und Wässerrechte; um die Ausbesserung des Wildzauns, der die ganze Feldmark lückenlos umschloß; um das freie Laufenlassen des Weidviehs und der Schafe; um das Hausieren der Liebenzeller Bäcker, Metzger, Lichtzieher, durch das sich die hiesigen Geschäftsleute beeinträchtigt fühlten; um Zwistigkeiten zwischen den beiden Ständen des damaligen Schömberg: den Bauern und der Taglöhnerschaft. Letztere scheint in dürftigen Verhältnissen gelebt zu haben.

Auch statistische Angaben aus früherer Zeit sind vorhanden. 1785 soll Schömberg 200 Einwohner gezählt haben. Das Forstlagerbuch von 1763 verzeichnet 49 Bürger, darunter 8 Bauern, 1 Wirt, 10 Handwerker, 2 Herrschaftshauer, 8 Tagelöhner. Langenbrand zählte damals 39, Unterlengenhardt 24, Schwarzenberg 15 Bürger. Schömberg war also damals schon das größte Dorf auf der Hochfläche. Etwa 50 Jahre später (1819) zählt es 505 Einwohner. Die Zahl der Bürger hat sich in dieser Zeit fast verdoppelt (90); es werden 29 Bauern, 34 Handwerker und Gewerbetreibende und 22 Tagelöhner genannt. Seither ist die Bevölkerung auf das Dreieinhalbfache gestiegen, während die übrigen Waldorte im Durchschnitt nur das Anderthalbfache erreicht haben, ja Oberlengenhardt und Maisenbach selbst dieses nicht. Diesen ungewöhnlichen Bevölkerungszuwachs verdankt das Dorf, das zudem nach den großen Bränden der 80-er und 90-er Jahre auch äußerlich neu erstand, der Wandlung zum klimatischen Höhenluftkurort